3. Argumentation aus burgengeschichtlicher Sicht

Einen anderen Ansatz zur Theorie der Entstehung des Hofes Huggenberg riß Dr.Hans Kläui im Zürcher Taschenbuch7 an, wobei er sich auf Dr.Emil Stauber stützte. Stauber (1869 1952), Lehrer in Töss, Heimat- und Burgenforscher, vermutete eine Burg Huggenberg auf dem Fideliegg, die dort "nach der Überlieferung" gestanden haben und für die Überwachung des Weges zwischen Elgg und Bichelsee zuständig gewesen sein soll.8 Jedoch gibt es weder bauliche Reste, noch sonst irgendwelche Zeugnisse einer Burg auf Huggenberg. Quasi als einzigen "Beweis" nennt Stauber die erste urkundliche Erwähnung des Geschlechtes "von Huggenberg" (1287/88)9 das er als adeliges Ministerialengeschlecht im Dienste des Klosters St.Gallen sieht. Im Zürcher Taschenbuch und in seiner Geschichte von Turbenthal geht Dr.Hans Kläui 5 Jahre später auf Stauber ein, berichtigt dessen zweifellos falsche Auflösung des Kürzels "Ber." von Berchtold in Beringer, den er damit den Herren von Turbatun zurechnet, übernimmt aber Staubers unbelegte Angabe, daß "der Überlieferung nach" auf dem Fidelihügel eine Burg gestanden habe. Frage: Welche "Überlieferung" meinte Stauber, ist sie irgendwo dokumentiert ?

Kläui geht einen Schritt weiter und betrachtet diese vermutete Burg als "Ableger der Grundherrschaft Turbenthal", also der Herren von Turbatun, den Vorläufern der Herren von Landenberg.10 Er folgert daraus die Entstehung des Hofes Huggenberg als späte Ausbausiedlung von der vermuteten Burg ausgehend, wobei er bemerkt.- "Der Name Huggenberg klingt verdächtig an den 1193 bezeugten Taufnamen Hugo (de Turbatun) an".11

Die Verbindung der ersten urkundlich erwähnten Huggenberger mit den Herren von Landenberg bzw. von Turbatun ist in der Tat sehr wahrscheinlich, wenn man die überlieferten Taufnamen vergleicht. Dabei ist zu berücksichtigen, daß es sich um die Zeit handelt, als die Familiennamen erst im Entstehen waren, der Taufname sehr wichtig war und den Familientraditionen entsprechend vergeben wurde. So finden wir in einer Urkunde von 1193 Hugo und Walther "de Turbatun", sowie ihre Vettern Beringer und Rudolf vom gleichen Ort.12Im Jahr 1209 ist ein Beringerus de Landinberch genannt.13 Bei den ersten urkundlich dokumentierten Männern von Huggenberg sind erwähnt: ebenfalls der eher seltene, aber für die Landenberger typische Vorname Beringer (1287/88)14, sodann Walther (1297)15 und Rudolf (1303)16. Also genau dieselben Taufnamen etwa hundert Jahre später. Bei der Bedeutung, die dem Taufnamen damals zukam, kann das kein Zufall gewesen sein. Eine Verbindung welcher Art auch immer zwischen den Huggenbergern und Landenbergern muß es gegeben haben, zumal, wenn man berücksichtigt, daß Huggenberg kirchlich zwar zu Elgg gehört hat, aber gerichtlich zur Herrschaft Turbenthal und später zur Herrschaft Breitenlandenberg, nachdem diese Burg zu Anfang des 14. Jahrhunderts errichtet worden war. Kläui ist von dieser Zuordnung so überzeugt gewesen, daß er in seiner genealogischen Übersicht der Herren von Landenberg die "von Huggenberg" als verwandte Seitenlinie darstellte.17



In den "Zürcher Ortsnamen" erläutert Kläui den Namen Huggenberg als "Berg des Huggo, vielleicht nach einem frühen Hug von Landenberg". In urkundlich überlieferter Zeit kommt der Name Hug von Landenberg häufig vor, so daß ein solcher auch vorher oder als Hug von Turbatun möglich und denkbar ist. Folgt man dieser Argumentation, so müßte man eher an eine späte Entstehung des Hofes Huggenberg, also vielleicht im 12. Jh. denken, als der oben erwähnte, 1193 dokumentierte Hugo de Turbatun lebte.

Allerdings ist in allen, auch in den frühesten Urkunden, die Bezeichnung "von Huggenberg" m.E. nicht als Adelstitel zu verstehen, wie es Stauber noch sieht, sondern als bloße Herkunftsangabe. Auch war Beringer "von Huggenberg" wohl kaum ein Ministeriale, denn er erscheint nur ein einziges Mal als Zeuge bei einer Beurkundung, und zwar genau dann, als das Nachbargut seines Hofes, das Gut Huttstall vergabt wurde. Dazu ist er offenbar als angesehener Nachbar und Kenner der Ortlichkeiten beigezogen worden. Zusätzlich mag die wahrscheinliche weitläufige Verwandtschaft mit den von Landenberg, die ja auch mit den Herren von Bichelsee versippt waren, eine Rolle für die Aufgabe Beringers als Zeuge des Eberhard von Bichelsee und das Kloster St.Gallen gespielt haben. Außerdem beweist nichts - außer Staubers unbelegt erwähnter "Überlieferung" - die Existenz einer Burg Huggenberg, von der aus ein Hug von Landenberg/oder von Turbatun den Hof als Ausbausiedlung angelegt haben könnte.

In Anbetracht dieser Sachlage neige ich eher zu der Ansicht, daß es sich bei Huggenberg um eine Ansiedlung handelt, die nicht im Zusammenhang mit einer - nicht nachgewiesenen - Burg ausgebaut wurde, sondern um ein Einzelgehöft, das einige Zeit nach dem Ausbau von Geretswil in Angriff genommen wurde, und zwar in natürlicher Ausdehnungerichtung im Anschluß an bereits kultiviertes Land. Dabei schien das Land schon in alter Zeit den Herren von Bichelsee gehört zu haben, da bei der ersten Nennung im Jahre 1278 Eberhard von Bichelsee den Zehnten von Huggenberg, Huttstall und Umgebung von St.Gallen zu Lehen hatte. Auch liegt Bichelsee näher als Turbenthal oder Elgg. Betrachtet man eine Kartenskizze der Herrschaft Breitenlandenberg, so fällt auf, daß das Gebiet von Huggenberg mit Hüttstall und Seelmatten nicht in dem abgerundeten Herrschaftsbereich liegt, der in etwa deckungsgleich mit den späteren Gemeindegrenzen von Turbenthal ist, sondern wie ein angeklebter Zipfel erst später hinzu gekommen zu sein scheint, z.B.durch Heirat in das Haus Bichelsee und Erbschaft, so ähnlich, wie auch Geretswil, Steig und andere Güter in der Nähe von Huggenberg - vermutlich durch Einheiraten - Pertinenzen der Burg Altlandenberg geworden waren.18

(Fortsetzung: Argumentation aus Sicht der Orts- und Flurnamen)